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Wie verkostet man Wein richtig? Die Tipps vom Tasting-Profi

Benno Büchler, 28.03.2023

An einem Tasting für Weine degustiert eine Frau einen Rotwein.

All die Gourmets unter uns kennen folgende Situation, und die Anderen werden sie noch früh genug kennenlernen. Das Tasting in einem Restaurant.

Du bist in einem vornehmen Restaurant und hast, um das Essen perfekt zu ergänzen, eine schöne Flasche Wein bestellt.

Der Kellner, oder gar der Sommelier, bringt dir die Flasche an den Tisch und es beginnt ein unaufgeklärter wortloser Dialog zwischen der Bedienung und dir. Bei dem dir die Flasche wieder und wieder präsentiert wird und du zu einem Tasting gebeten wirst.

Du fragst dich zwischendurch immer wieder, was von dir erwartet wird und weshalb wir dieses hin und her überhaupt machen müssen.

Richtig verkosten

Nehme das Weinglas und rieche am Wein, danach rotierst du das Glas kurz, um dem Wein Luft hinzu zu fügen. Du riechst ein zweites mal daran, um eine Veränderung durch die Luft wahrzunehmen und probierst dann einen kleinen Schluck. Das bisschen Wein darfst du kurz im Mund behalten, bevor du ihn runterschluckst (im Restaurant) oder in einen Spuckeimer beförderst (beim Tasting). Du erkennst einen Wein mit Weinfehlern schnell, da er schmeckt und riecht wie alter Essig.



Kurz zu mir

Wer bin ich, dass ich da so grosse Töne spucke?

Nun, ich bin genau der, der mit der Flasche in der Hand an deinem Tisch steht und dir den Wein zum Probieren anbietet.

Ich arbeite in einem Luxusrestaurant in Zürich und da fällt einem sehr bald auf, wie sehr jemand, der etwa seine Begleitung beeindrucken möchte, sich schwertut mit der Weindegustation.

Diese Situation möchte ich dir ersparen, deshalb habe ich für dich die genaue Erklärung wie du dich in der Situation zu verhalten hast.



Das Tasting

Also was genau passiert in besagtem Moment?

Du hast aus der Weinkarte einen Wein ausgesucht und die Bedienung bringt ihn an deinen Tisch.

Dir wird das Etikett der Flasche gezeigt und vielleicht verliert der Kellner noch ein, zwei Worte darüber woher der Wein kommt und welche Trauben sich darin befinden.

Von dir wird verlangt, dass du kurz kontrollierst, ob das tatsächlich der Wein ist, der du bestellt hast. Achte dich dabei unbedingt auf den Jahrgang, da können am schnellsten Flüchtigkeitsfehler entstehen.

Sobald du ihn abgenickt hast, öffnet die Bedienung den Wein für dich und präsentiert ihn erneut.

Wieder wird von dir ein kurzes Nicken erwartet, um sicherzustellen, dass du derjenige sein wirst, der den Wein probiert.

Weiter schenkt dir die Bedienung einen Schluck in dein Glas ein.

Jetzt kommt der wichtigste Part:

Du musst den Wein probieren

Aber Vorsicht: sagst du zu schnell zu, wirkst du wie jemand, der den Wein nicht zu schätzen weiss oder sich einfach aufspielen möchte.

Dauert das Tasting zu lange, wird die Bedienung langsam genervt und wieder könnte man meinen du willst dich nur aufspielen.



Die Anleitung für’s Tasting

Du nimmst das Glas in deine Hand (unbedingt ausschliesslich am Stiel halten).

Führst es zu deiner Nase und riechst am Wein. (Je nachdem wie geübt du bist, kannst du jetzt schon bisschen erkennen, ob der Wein evtl. Zapfen hat oder nicht)

Wahlweise schwingst du danach das Glas etwas in der Luft, sodass der Wein sich im Glas im Kreis dreht und so mehr Luft aufnimmt. (Achtung: schwinge das Glas nur ganz leicht und elegant.) Du musst keinen Tornado im Glas veranstalten und darfst schon gar nicht den Wein auf das Tischtuch ausleeren!

Weiter riechst du erneut kurz am Wein und nimmst einen kleinen Schluck.

Danach gibst du der Bedienung das Zeichen, dass der Wein gut ist und sie beginnt damit, die Gläser einzuschenken.

Achtung! Vielleicht hast du schon mal jemanden gesehen, der mit dem Schluck Wein im Mund schmatzt, kaut oder gurgelt.

Mach. Das. Nicht.

Du machst dich bei niemandem beliebter, weder bei deiner Begleitung noch bei der Bedienung und schon gar nicht bei den anderen Restaurantbesuchern.

Zapfen

Was passiert, wenn du denkst, der Wein hat Zapfen?

Zapfen ist die typischste Weinkrankheit, die es gibt. Es handelt sich dabei allerdings um ein Molekül, das in den Wein gelangen kann, welches dann so übel riecht.

Das Molekül kommt vom Transport, der Lagerung auf Paletten oder am häufigsten vom Karton. Sobald dieses Molekül den Korkzapfen befallen hat, beginnt der Wein ganz übel zu riechen. (dieses Molekül kann auch Plastik befallen, dadurch sind auch Weinflaschen mit Plastikdeckel nicht 100% sicher. Dies passiert allerdings viel seltener)

Wenn ein Wein Zapfen hat, erkennst du es daran, dass er schmeckt wie Essig. Falls dies der Fall sein sollte, merkst du es sofort und du wirst es ab dem Zeitpunkt immer erkennen können. Spreche die Bedienung darauf an und sie wird dir direkt eine neue Flasche oder eine Alternative anbieten.

Angenommen du denkst der Wein könnte Zapfen haben, bist dir allerdings nicht 100 % sicher. Mach die Bedienung auf deinen Verdacht aufmerksam und bete sie noch mal zu kontrollieren.

Falls die Bedienung nach dem Tasting bestätigt, dass der Wein kein Zapfen aufweist, kann der spezielle Geruch daher kommen, dass der Wein noch etwas mehr Luft benötigt, bis er geniessbar ist.

(Quelle: Wieso haben Weine Zapfen? – SRF)



Wissenswertes beim Tasting

  • Zapfen ist ganz natürlich und kann passieren, meist ist die nächste Flasche wieder ganz in Ordnung.
  • Es spielt bei der Qualität des Weines keine Rolle, ob die Flasche einen Kork, Plastik oder gar Glasverschluss hat.
  • Die Weinflasche wird in vornehmen Restaurants ausschliesslich vom Personal bedient, es sollte nie die Situation entstehen, dass der Gast sich den Wein selbst nachschenken muss.
  • Wie auch das Glas, sollte man eine Weinflasche nie am Hals anfassen, da man somit den Flaschenhals aufwärmen würde und dadurch auch den Wein selbst.
  • Es gilt als vornehm, wenn man, sowohl Wein als auch Champagnerflaschen, möglichst leise öffnet. Das heisst, man muss den Korkzapfen, kurz bevor er ganz aus der Flasche raus ist, leicht abkippen, damit die Luft geräuschlos entweichen kann.
  • Ein richtiges organisiertes Tasting unterscheidet sich immens vom Tasting in einem Restaurant. Beispielsweise wird der Wein immer ausgespuckt, da man sonst nie mehr als vielleicht fünf Weine probieren könnte.

Fazit

Es gibt einige Dinge, die man beachten muss beim Probieren einer Flasche Wein.

Allerdings, wenn du verstanden hast wann was von dir verlangt wird, ist dir schon sehr viel geholfen.

Und wenn du dir bei einem Wein nicht 100 % sicher bist, ist es absolut legitim auch die Begleitung oder sogar die Bedienung probieren zu lassen. Schliesslich möchtest du einfach einen guten Wein zu deinem Essen geniessen und die ganze Prozedur verfolgt einzig den Zweck, dies zu gewährleisten.

Abschliessend möchte ich dir noch Folgendes mit auf den Weg geben:

Das Wichtigste bei einem Wein ist, dass er dir schmeckt.

Egal ob’s ein 25.- teurer Riesling aus Deutschland ist oder ein Château Mouton Rothschild aus dem Jahr 2000 für 5’600.-

Solange er dir schmeckt und Spass bereitet, ist der Wein genau richtig.

Titelbild: Pexels | überarbeiteter Beitrag



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